Die Klaukuh

Eines Abends trottet Huhnkuh allein zum Stall zurück. Sie hat es satt, mit anderen zusammenleben zu müssen. Sie spuckt aus und denkt: „Dann kann ich gleich in die Stadt ziehen.“

Huhnkuh beschnuppert ein Fahrrad am Wegrand. Sie schaut nach rechts, sie schaut nach links und schon sitzt sie auf dem Drahtesel. Huhnkuh läßt die Heimat hinter sich. Sie will wissen, was in der Welt los ist. Eine Woche später sitzt Huhnkuh hinter dem Lenkrad eines Lasters. Sie beliefert Supermärkte mit Katzenfutter. Jubel hinterm Nasenformer.

Der Lastwagen hält. Die Luke wird geöffnet. Huhnkuh und die andern ahnen, was auf sie zu kommt. Sie riechen den Tod von weitem. Sie werden auf die Verladerampe getrieben, dann hinein ins Schlachthaus.

Rüdiger Saß

geboren 1966 | Wohnhaft in Hamburg | Soziologe | zuletzt erschienen: Neues von der Heimatfront (Roman). Bench Press Publishing, 2008. Siehe auch www.myspace.com/leereimer - Noch zu haben: Nachtstühle - Erzählungen und Prosa

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