Herzeleid

Bei meiner ersten Beichte, kurz vor der Erstkommunion, stellte mir der Pfarrer die Suggestivfrage, ob ich mich denn nicht berührt hätte. Unwissend über den Tatbestand des sich selbst Berührens, sagte ich spontan nein. Ich konnte gar nicht fassen, welche Freude ich ihm damit bereitet habe. Wissbegierig versuchte er, mich des Lügens zu überführen. Das passiere allen, meinte er, als wollte er mir sagen, dass ich mich in guter Gesellschaft befinde. Schließlich waren schon einige Kollegen zuvor bei ihm. Diese umgab eine seltsame Schweigsamkeit als sie von der Beichte kamen. Ich begann, mich zu fürchten.

Also gab ich zu, es getan zu haben. Ich dachte, damit sei es getan, aber es gebot seiner Neugierde keinen Einhalt. Wenn dieses Gefühl eine Vorahnung der Vorhölle sein sollte, musste ich dafür sorgen, dass Gott mir vergibt. Ich musste die Karten auf den Tisch legen und um Vergebung beten. Er wollte wissen, wann, wo, wie oft, wie lange, seit wann ich es mache. Beim Anziehen, antwortete ich, jeden Tag, am Abend, beim Umziehen, und unter tags, ungewollt natürlich. Ich berühre mich dauernd. Er schenkte mir keinen Glauben und forderte mich auf, zu erklären, was ich meinte. Berühren, sagte ich. Er forderte mich auf, ihm zu zeigen, wie ich mich berühre. Langsam führte ich den Zeigefinger meiner rechten Hand auf meine Nasenspitze zu. Als sich Nase und Finger berührten, sagte ich, so mache ich das. Musst Du denn nicht Deine Hose ein wenig nach unten schieben, fragte er. Mir dämmerte, dass wir unterschiedliche Definitionen des Begriffes der Berührung mit sich selbst hatten. Aber ich hatte ja keine Ahnung, nie fasste ich bisher den scheuen Wurm zwischen meinen Beinen an, um, denkend an Freundinnen meiner großen Schwester, unauslöschliche Flecken auf meiner Bettdecke zu hinterlassen.

Jahre später sah ich diese Szene. Aus der Entfernung. Es war mein erster Trip, keine Ahnung, was mich erwartete. Große blaue Punkte auf Blumen, der Himmel war überzogen mit verschiedenfärbigen Linien, noch nie waren Farben so schön. Gott, dachte ich, und plötzlich fand ich mich schwebend über dem Pfarrer wieder. Ich konnte kein Verständnis dafür aufbringen, warum onanieren eine Sünde sein sollte. Jetzt, mein dreissigster Geburtstag liegt schon ein paar Jahre hinter mir, 4 Jahre verheiratet, weiß ich, dass der Geschlechtsverkehr nie so gut sein kann, wie man es sich beim Wixen vorstellt. Achtzehn Zentimeter möchten in guten Händen sein, wenn sie sich kurz vor der Ejakulation angestrengt verhärten, um ein klein wenig Eigenwillen zu zeigen.

Bei einem Abendessen, wir waren auf Urlaub und hatten ein wenig getrunken, gestand mir meine Frau, dass ihr die Stimme von diesem Rammstein-Sänger so gut gefiele. Till heißt der, sagte sie. Ich bemerkte, wie sie sich die Unterlippe leckte, nachdem sie das gesagt hat und wusste, was sie jetzt fühlte. Nie zuvor gab sie mir dann so einen feuchten Kuss. Sie führte meine Hand an ihre Hüfte und ich merkte, dass mein Gehirn die Drossel von der Endorphinquelle entfernte. Mit einem Wort, ich war geil. Ich verlangte nach der Rechnung, während sie vorging. Es war ein Spiel. Sie tat so, als sei sie eine Unbekannte, gab mir den Zweitschlüssel und ich sollte später aus Zimmer folgen. Der Spiegel an der Theke verriet mir, dass meine Pupillen so weit sind, als hätte ich zwei Ladungen Chemie eingeworfen. Ich trank noch ein Bier, ließ mir fünf Minuten Zeit, wollte die Spannung erhöhen.

Nach einer kurzen Fahrt mit dem Lift, hörte ich vor dem Aussteigen einen lauten Schrei. Es war die Stimme einer Frau. Und es hatte etwas vertrautes. Als ich aus dem Lift stieg, hörte ich eine Tür knallen. Zu ist sie, dachte ich mir schelmisch. So, wie war das jetzt. Zuerst links, den Gang hinunter, dann die zweite Abzweigung rechts. Dieser labyrinthhafte Aufbau von Hoteletagen macht mich noch verrückt. Ich stellte mir vor, der Spannteppich, auf dem ich zu unserem Zimmer ging, sei Moos. Ich komme, mein Engel, Tür 917, da vorne. Ich nehme die Karte, ziehe sie durch den Schlitz.

Die Tür öffnet sich klickend. Nachdem ich die Tür geöffnet hatte, suchte ich instinktiv nach dem Lichtschalter. Halt, vielleicht ist das auch ein Spiel, schoss es mir. Die Tür fiel hinter mir ins Schloss, ich ging langsam zum Bett. Es machte einen verlassenen Eindruck auf mich, nachdem ich reingestiegen war und knurrend darin herumgewühlt hatte. Das Badezimmer. Sie ist im Badezimmer. Auf allen vieren kroch ich hin, plötzlich hörte ich, wie jemand versuchte, die Tür zu öffnen. Ich bekam es wieder mit der Angst zu tun. Wer will uns jetzt stören? Es klopfte irgendwie. Beim ersten mal etwas stärker, dann langsam und rhythmisch. Dumpf, als würde einer mit einer verbunden Hand Klopfzeichen an meiner Türe geben. Ich glaubte, die Stimme eines Mannes zu hören. Dann die einer Frau, keuchend. Das dumpfe Klopfen ging weiter, wurde wieder etwas stärker, dann kam ein stärkerer Stoß und ich hörte einen Mann gequält und langsam ‚Ja‘ stöhnen. Meine Tür ist stärker als Du dachte ich, als ich mich unter das Waschbecken verkroch. Sitzend und die Knie zum Kinn gezogen, mit dem Rücken zur Wand, wollte ich noch einige Minuten in dieser Stellung verharren. Um sicher zu gehen, dass der Spuk vorbei war.

Wieder klicken! Die Tür öffnete sich. Schätzchen bist Du da? rief meine Frau. Ich stand blitzartig auf, knallte dabei mit dem Kopf an das Waschbecken, sprang zum Licht, schaltete das Licht ein. Ja, Schatzi, ich bin da, du.. äh… ich dachte mir, ich rasiere mich, weil Du ja.. wo warst Du eigentlich?

Sie antwortete, sie wollte mir noch etwas sagen und hatte mich in der Hotelbar gesucht. Keine Ausreden jetzt. Mit einer Handbewegung schloss ich die Tür. So. Jetzt habe ich Dich. „Nein, ich muss mich zuerst duschen, ich habe mich den ganzen Tag noch nicht geduscht…“ Ich packte sie und trug sie zum Bett, sang „Das alte Leid“, eine Stimmlage tiefer als gewöhnlich. Dein Haar ist ja ganz durcheinander. Nachdem ich ihren Rock geöffnet hatte, fiel mir auf, dass sie kein Höschen anhatte. Moment. Ich habe doch gesehen, wie Du den kleinen schwarzen Tanga… „Ja, äh, den habe ich in der Toilette ausgezogen, ich weiß ja, was dich scharf macht“, stammelte sie. Wir küssten uns und ich streichelte sie zart, zog ihr Hemd aus, öffnete ihren BH. Meine rechte Hand bahnte sich derweil ihren Weg in Richtung Beine. Als sie zwischen diesen anlangte, bemerkte ich die Nässe. Mein Gott bist Du feucht, sagte ich, Du hast doch nicht etwa Deinen Eisprung heute. Die Antwort war leises stöhnen. Meine Lippen knüpften einen dichten Teppich aus Küssen auf ihrer Brust. Langsam näherte ich mich ihrer Vagina. Je näher ich kam, desto deutlicher wurde es. Ein Geruch stieg in meine Nase und ich sagte: „Sag mal bist Du Portugiesin, oder was?“ – „Nicht lecken, bitte bitte nicht.. Heute nicht, was, bitte, meinst Du mit Portugiesin?“ fauchte sie mich an. „Nun, es riecht … äh in diesem Zimmer nach Thunfischbrötchen, riechst Du das nicht?“ Mein Finger rutschte langsam in Ihre Vagina. „Du musst ganz schön geil sein, so feucht, wie Du bist.“ Daraufhin erwiderte sie, ob ich wisse was eine Kreissäge mit einer Muschi gemeinsam hat. Unpassender Augenblick für einen Scherz. Da ich es nicht wusste bat ich um Aufklärung. „Ganz einfach. Wenn Du mit dem Finger zwei Zentimeter daneben fährst, ist er im Arsch.“ Schallendes Gelächter, die erotische Stimmung war verflogen. Na gut, geh Dich duschen, sagte ich zu ihr, ich hol schnell Zigaretten aus der Hotelbar.

Es wartete bereits jemand vor dem Lift. Als ich näher kam, erkannte ich ihn. „Sie sind doch dieser… der Sänger von…“ „Lindemann, Till Lindemann mein Name“ .. ja, genau, der Sänger von Rammstein. Wir steigen in den Lift. Wir wollten beide ins Erdgeschoß. Wie bei einer Liftfahrt üblich, schwiegen wir uns an. Plötzlich sagte Lindemann, „Ich würde so etwas niemandem erzählen, aber Ihnen kann ich es ja erzählen, sie sind ein Wildfremder, aber sie müssen versprechen, es niemandem weiterzuerzählen.“ Neugierig willigte ich mit einem Handschlag ein. „Mir ist eben etwas ganz verrücktes passiert“, fuhr Lindemann fort, „als ich aus meinem Zimmer ging, sah ich eine mir unbekannte Frau. Und sie sah mich an, dann packte sie mich, ich stolperte in mein Bett. Sie zog mir die Hose runter, und nahm meinen Schwanz in den Mund als wäre er ein verletztes Vögelchen. Dann sprang ich auf, schob ihren Rock nach oben, zog ihr Höschen runter und warf es hinter das Bett. Wir haben es getrieben wie die Karnickel.“ Schön für Dich Du geiler Bock, dachte ich. Ich werde das auch gleich tun, mit meiner Frau. „Sie ritt mich, als wäre ich ein alter römischer Streitwagen. Nachdem sie kam, kurz bevor ich kommen konnte, verließ sie das Zimmer und warf die Tür ins Schloss. Sie lief in den anderen Flügel des Hotels. Ich bin ihr nach. Plötzlich ging die Lifttüre auf, wir versteckten uns, sie küsste mich. Das war der feuchteste Kuss, den ich je erlebt hatte. Sie lief wieder zurück und hatte bereits die Karte in der Hand.

Nachdem ich mich ihr genähert hatte, ich stand von ihr ungefähr so weit weg wie von Ihnen…“ – Mir dämmerte plötzlich… – „.. ergriff ich mit meinen Händen Ihre Hüften und hob sie hoch, dann steckte ich Ihn Ihr rein und spritzte ihr alles rein, was ich zu bieten hatte. Das war die geilste Nacht meines Lebens. Als ich sie runtergleiten ließ, sagte sie mir, dass sie mich …“ – sag es nicht, sag es nicht, sag es nicht, erspare mir diese Schmach – „… liebt.“ Be-wahret -ei-nander-vor- Herz-leid-denn- kurz-ist-die-Zeit- die-ihr-bei-sammen-seid. „Diese Fotze“, sagte Lindemann. Her-ze-leid. Das Lied dröhnt in meinen Schläfen. Ich spüre, wie sich mein Nacken versteift. Nervös suche ich in meinem Jackett herum. Lindemann redet und redet. Als er mir dann die Frage stellt, was eine Muschi und eine Kreissäge gemeinsam habe, habe ich mein Schweizer Messer bereits in der rechten Hand.

Ich sehe die Wolken am Himmel, Blut strömt aus Lindemanns Hals. Die Überraschung ist ihm quasi an der Nasenspitze anzusehen. Langsam drehe ich den Korkenzieher aus seinem Kehlkopf. Er ist viel zu sehr beschäftigt, um sich gegen meine Faustschläge zu wehren. Er sackt in die Knie, senkt den Kopf und röchelt. Mit der linken Hand zerre ich an seinen Haaren, damit ich sein Gesicht sehen kann, meine rechte Hand öffnet den Reißverschluss an meiner Hose, ergreift meinen zur Strafe ersteiften Schwanz, mit dem ich in sein Gesicht ziele. Vergeblich versucht Lindemann seinen Kopf zu schütteln. Meine rechte zieht die Vorhaut zurück, schiebt sie wieder vor eins, zwei drei vier… die Ladung fliegt in sein Gesicht wie eine Ladung Schnee vom letzten Jahr. Laichzeit, sage ich in dem Augenblick. Lindemann verzieht sein Gesicht zu einem Weinen. Ich vergebe Dir. Der Korkenzieher erbarmt sich und senkt sich unter meiner rechten Hand in den seinen Schädel. Lindemann liegt auf dem Boden, in einer Lache aus Blut und Sperma.

Danke, sagt eine Stimme leise.

Morpheus Somnus

ist ein ewig und immer wieder verschollener User, ein einsamer Wolf...

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