Serie ‚Kranke Hirne‘: Abbes Ohr

Tasse KaffeeIm KDD von Castor-Bauxit ging es wieder einmal zu wie in einer Fernsehserie. Die diensthabende Leiterin warf sich mit der Rechten eine zweifelhafte Tablette ein, rührte mit der Linken hektisch im Kaffee und schaffte es, fast gleichzeitig ihrem Kollegen einen apfelgrünen Brief zuzuschieben. „Lies das!“

Mehmet hob entschuldigend die Hände und rief: „Geht nicht, fettige Finger!“ Dann hob er den Telefonhörer ab, horchte und brüllte: „Der schon wieder, den haben wir doch gestern erst zweimal in die Psychiatrische geschafft! Nee, macht ihr das, bei uns brennt der Laden, kennste ja.“

„Und wenn du jetzt nicht sofort mit deinen Dönerfingern die Arbeit anpackst, brennt gleich noch was anderes“, schnauzte die Chefin.

„Das war Pizza Mafia vom Schwaben gegenüber“, maulte Mehmet zurück und griff sich das Schreiben. „Ein Bekennerbrief. Riecht nach Moschus?“ Zufrieden nickte die Chefin, auf diese Spürnase konnte sie sich verlassen.

„Abbes Ohr?!“

„Lies endlich, frag nicht so blöd!“

 

„Verehrte Polizei, werte Pathologen,

Mein Arzt sagt, wenn ich immer alles schlucke, werden meine Magenbeschwerden nie besser. Also gestehe ich meine Verbrechen und den Wunsch, nach Möglichkeit weitere zu begehen, sofern mir das mein Magen erlaubt, der äußerst empfindlich auf Chilli reagiert. (Damit habe ich eine Spur gelegt, fangen Sie mich, wenn Sie können).

Meinen ersten Mord haben Sie nicht entdecken können, weil ich ein abbes Ohr an meine Pyranhas verfüttert habe und das andere meinem Nachbarn in den Koi-Teich warf. Das war einer, der nicht hat zuhören wollen, also der mit den abben Ohren, die die Fische gemampft haben. Mit dem Rest habe ich meine Schwiegermutter glücklich gemacht, indem ich ihn in die Musmaschine warf und einen feinen Edelbrand daraus herstellte, garantiert dreimal destilliert im Kupferkessel, so wie es die alte Schnapsdrossel liebt. Ich gestehe, dieses Lebenswasser ganz leicht mit Sternanis und Orangenschalen aufgepeppt zu haben, falls Sie das Rezept wollen, ich mache immer alle gern glücklich, glücklich mach ich alle.

Beim zweiten Mal war mir langweilig, weil mich eine Tussi zu lang hat warten lassen. Früher ging das ja noch, vier Wochen, dann acht Wochen, aber die hat 13 Monate gebraucht, um Nein zu sagen. Möglich, dass Sie noch Spuren an der alten Druckerpresse finden, die ich benutzt habe. Ich habe ganz schön kurbeln müssen, aber dann doch davon abgesehen, sie binden zu lassen. Also trocknet das flache Weibsstück an einem geheimen Ort. Meinen Sie, da wird noch wenigstens ein Ledereinband draus? Dann könnte meine Schwiegermutter ihre Flachmänner drin verstecken, weil ich doch immer alle gern glücklich mache, glücklich mach ich alle.

Gestern ist es wieder passiert. Ich hab den Lackaffen zuerst gefoltert, weil er mich ausgelacht hat. Ich wär eine Versagerin, sagt der (jetzt haben Sie noch eine Spur), und meinen Scheiss will eh keiner, sagt der. Muss ich mir einen solchen Jargon bieten lassen? Und dann sagt der noch, die Leute stehen auf Blut und Ekel und Krankes und Brutales. Das hab ich mir nicht zweimal sagen lassen und ihn mit der Bronzefigur auf dem Schreibtisch kurz angetippt, bis ich ihn gefesselt hatte.

Der hat gewinselt, gewinselt hat der, als ich ihm Hänsel und Gretel vorgelesen habe und bei jedem Absatz einen Fingernagel rausgezogen und dann bei lebendigem Leib Hautstreifen … aber das wollen Sie sicher nicht so genau wissen, außer dass ich Hänsel und Gretel zwanzig Mal lesen musste, bis ich mit dem fertig war. Weil ich doch immer alle gern glücklich mache, glücklich mach ich alle.

Und jetzt mach ich Sie glücklich: Fassen Sie mich, bevor ich die nächste umbringe. Wieder so eine Tussi, die nichts Englisches mag, sagt sie. Wie wär’s mit einem Steak, werde ich sagen, englisch vielleicht? Weil ich doch immer alle gern glücklich mache, glücklich mach ich alle und jetzt auch die Polizei.“

 

Tasse KaffeeMehmet warf den Brief zurück zur Chefin und lachte lauthals. Die sah ihn fragend, bohrend und zerknirscht an und rührte rasant im Kaffeesatz.

„Der Fall ist doch klar wie Kloßbrühe!“

„Du meinst, das ist diese Schriftstellerin mit den blutleeren Whodunnits, die wir gestern sturzvoll aufgegriffen haben, nachdem ihr eine Lektorin abgesagt hatte, weil ihr Geschreibsel zu englisch sei?“

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Dan Rocco (Dirt Diggin Dog): Rouge & Revolver
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Dirt Diggin Dog

DDD wollte eigentlich als Frau auf die Welt kommen, hasst aber Frauenkrimis zu sehr. Brüllte bei Abnabelung Heavy Metal und trägt immer noch keine Krawatten. Mit fünf Jahren leere Sprechblasen aus Comics als Hörbuch eingelesen. Erstes Poem mit zwölf Jahren: „Mein Ascher stinkt wie blaue Weizenkleie’“. Jobs als Fernfahrerbeifahrer, Leichenwäscherhelfer, Literaturpreismanuskriptesortierer, Siebdruckfarbanrührer und Tanzboy. Studium bei Raymond Chandler und Dagobert Duck. Erster Roman: über die Sprechpausen Phil Marlowes. Gewann fünf Pfund Butter beim renommierten Regiokrimi-Preis „Butter bei die toten Fische“. Lieblingsschriftsteller: Jack Torrance. DDD lebt und arbeitet nach dem Prinzip von Tschechows Rasierklinge in Cleveland, Neustadt an der Weinstraße und Clichy. Aktuelles Buch: "Rouge & Revolver - 10 Schnellkrimis" (under dem Pseudonym Dan Rocco).

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