Straßenrand (Rückschnitt)

xmas_350x250Am Weihnachtsabend 1997 fuhr ich zu meiner Freundin, um ihr ihr Geschenk zu geben und um sie zu sehen. Um ca. 18.00 Uhr mache ich mich auf den Heimweg. Irgendwie hatte ich nicht mehr allzu viel vom Weihnachtsfest zu erwarten und schon zwei von den 25 Kilometer gefahren, denke ich mir, dass der Weihnachtsabend immer schon etwas Besonderes gewesen ist. Ein breites Wonnegefühl macht sich in mir breit: Ich bin ergriffen, zufrieden und im Innersten ruhig, grundlos. In der Erwartung eines unbeschreiblichen Ereignisses. Ich fahre und warte, auf eine Art von Zeichen, weil Weihnachten ist und ich bin mir sicher: Es wird geschehen. Noch in solchen Gefühlen und gedankenversunken, fahre ich Richtung nächster Ortschaft . Von weiten sehe ich rechts jemanden stehen. Es ist ein Anhalter. Ob es das ist? Ich weiß nicht ob es diese gespannte Erwartung, dass etwas passieren werde oder doch die Abenteuerlust war: Nach 500 Meter drehe ich um, fahre einen Kreis und stehe vor ihm. Es regnet und ich glaube, eine wirklich gute Tat zu tun, wie ich ihn ins Auto lasse. Natürlich habe ich in dem Moment Angst. Zuvor schon habe ich mir Gedanken über Kriminelle gemacht. Meine linke Hand am CS-Gas. Er steigt ein. Er sagt hallo. Er riecht furchtbar nach Alkohol. Mein Puls ist ziemlich nach oben und ich atme flach. „Wo wollen sie denn hin?“ Er will in die nächste Ortschaft, sich mit Freunden treffen, sonst wäre er alleine heute. Er sitzt neben mir. Ihm ist sicher schon von Anfang an aufgefallen, wie nervös ich bin. Er richtet seine Jackentasche, in der er seine Hand hat, auf mich. Mir bleibt das Herz stehen. Ein verschmitztes Grinsen in seinem Gesicht. Was für ein Schrecken! So ein Arschloch. Wir unterhalten uns, was er macht, was ich mache usw. Das Wirtshaus in der nächsten Ortschaft hat geschlossen. Ich nehme ihn die 20km mit nach Bamberg, zum Bahnhof, weil halt Weihnachten ist. Ich fühle mich so toll. Er erzählt Dinge wie: Wenn er noch mal jung wäre, er würde nach Indien zu Mutter Theresa gehen, um den Armen zu helfen. Es klingt ein wenig märchenhaft. Ich denke nach. Am Bahnhof sitzen wir noch eine Weile im Auto, des Gesprächs wegen. Er hat mir so viel zu sagen. Noch ein paar Minuten und ich werde froh sein, seine Alkoholfahne nicht mehr riechen zu müssen. Er steigt aus: „Frohe Weihnachten!“ „Frohe Weihnachten!“ Der restliche Abend zu Hause und in der Kirche war eher langweilig.

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