der hautarzt // ein deutsches wunder

Arztkittel von Pi. from Leiden, Holland (Lab 15 - Lab Coats) [CC-BY-2.0 (http://creativecommons.org/licenses/by/2.0)], via Wikimedia CommonsSchiere drei Meter groß steht er da, schlank, blond, kräftig (Tennisarm). Der Hautarzt. Studium der Medizin, Schwerpunkt Dermatologie an der Universität Freiburg, große Jahre, kaum Freizeit, singen mit den Burschenschaftlern und Wanderungen zum Rhein hin, ansonsten Prüfungen und unzählige Bücher, nachts Träume von Ekzemen und Geschlechtskrankheiten (oh, du schwere Last der Venerologie), in den Studentenjahren.

Danach Großbritannien, internationale Erfahrungen sammeln, ganz London kurieren im Handstreich, Furunkel und Mitesser, Entzündungen ganzer Gesichter um rote, knubbelige Nasen herum, im Nahkampf der Hautarzt eine Eins, teutonisch verbissene Arbeitssucht im Land der Kelten und Angelsachsen, Abszesse alpengroß und Eiterströme themsebreit.
(Und in der Freizeit: Wagner, Venusberg, ach, alter Thannhäuser, Landgraf Hermann Heil!)

Weiter ging es, der eigenen Hetzsucht hinterher, Sankt Petersburg, der Russe eine einzige dermatologische Großkampfzone, Gesichter vom sibirischen Frost zerschnitten und junge Frauen denen wie Maschinen die Bügelfalten zu begradigen gewesen, ach ubi pus, ibi evacua, undsoweiter, der Berufsethos kennt keine Grenze.
(Und in der Freizeit: Tennis und das Gespräch mit internationalen Kollegen, schön das Russland, nur warum ist alles so zerdeppert hier, haben die keine Putzfrau? Oh ja, die schreckliche Armut, das weite Land, etc.)

Arztkittel von Pi. from Leiden, Holland (Lab 15 - Lab Coats) [CC-BY-2.0 (http://creativecommons.org/licenses/by/2.0)], via Wikimedia CommonsIm Anschluss Italien, Rom, Pisa, Venedig und Mailand, entfernte kritische Muttermale schaffen erneuertes Blut den Töchtern und Söhnen der Legionäre, der Geruch von Zypressen und Desinfektionsmittel überall in der vergoldeten deutschen Nase unter Rotationszwang. Allergie und Eitelkeiten im Land des hymnischen Petrarch und der Canzonetten, und des Mondes, zu dem er hinaufblickt während Mondschatten und Albträume sich im guten Gläschen Wein widerspiegeln… Manchmal möchte er selbst hinauf zu ihr, O Luna!, das pockennarbige, ewig der Erde zugewandte Gesicht mit Gips und Zement korrigieren, mögen die Zeitungen und Nachrichtenportal weltweit dann verkünden: Der kosmetisch korrigierte Mond – ein deutsches Wunder.

Tobias Damande

Jahrgang 1983, lebt in Nürnberg, beschäftigt sich manchmal mit Buchstaben, Musik, sprechenden Katzen, Himmelskörpern, Geräuschen und den Haarsträubendheiten des Lebens. Besuchen Sie auch http://www.damande.net/

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