Müdes Lächeln

–Auf dem zu engen Platz
Brodelte eine heitere Menge
Sie jubelten ihm zu
Während ihm auf der Bühne der Schweiss
Den Blick trübte
Den Blick, der nicht mehr im Einklang
Mit dem meinen stand

Eine Frau war am Rand
Eines hysterischen Anfalls
Heiser stammelte sie seinen Namen
Ich hätte ihr sagen sollen
Dass er als Opfergabe
So etwas wie mich bevorzugt
Die einen sind verführerisch
Doch wer ohne Geheimnis ist
Hat schon verspielt

Immer wenn ich ihn sah
Spielte sich ein formloses kleines Drama
In meinem Innern ab
Frei von Illusionen
Mit einer unzerstörbaren Gewissheit
Dass es die Liebe nicht gibt
Vielleicht war die rohe Sinneslust
Sowieso vorzuziehen
Doch irgendwann hatte ich mich
Einen Deut zu sehr geöffnet
Seither hatte er nur noch
Ein müdes Lächeln für mich übrig

Susann Klossek

1966 in Leipzig geboren, lebt in Zürich; grösste Leidenschaft: Scheitern und Lebensverplanung; Versuche im Saxophonspiel, experimentellen Theater, Malerei und in der Zeugung eines Thronfolgers (alle gescheitert); Kolumnistin; Undercover-Schreiberin; Autorin: "Nichts und wieder Nichts", "Männer", "Berührung im Dickicht", "Besser dümpeln", „Tropenfieber“. Hoffnung auf den Literatur-Nobelpreis noch nicht aufgegeben. Letztes Buch: desperate mousewife

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