Die Schuld
Da steht er vor ihm, der Wald, die Gehölzgesellschaft, da steht er nun davor, vor dem Wald, vor dem ihm Großmutter so oft gewarnt hatte. Und dann ist er drin im Wald, trotz der Warnungen, trotz der Furcht vor dem dunklen, undurchdringlichen Dickicht. Vor einem Jahr hätte er sich das noch nicht getraut, vor einem Jahr und in den Jahren davor, während der Sommerferien, die er bei Großmutter auf dem Land verbrachte. Da hatte er noch an die Märchen vom schwarzen Mann geglaubt, vom Kinderfresser und von den Seelen seiner Opfer, die durch den Wald geisterten.
Buchen und Eichen zu beiden Seiten des Feldwegs, Baumstämme wie hohe, braune Pfeiler und Kronen wie lichte grüne Kirchenkuppeln. Auf dem Waldboden liegt ein Teppich aus Moosen, Blumen und Gräsern, und in der Nähe rauscht ein Bach. Und plötzlich steht ein Junge vor ihm, ein Junge wie er, wie aus dem Gesicht geschnitten, er steht da und lächelt. „Keine Angst“, sagt sein Ebenbild, „ich bin auf deiner Seite!“
Die Jungen setzen sich an den Bach. Der eine erzählt seine Geschichte, er erzählt die Geschichte vom Alleinsein, von der Einsamkeit in der Stadt. „Hat dich jemand in den Wald gehen sehen?“ unterbricht ihn der Waldjunge plötzlich. Noch ehe der andere den Kopf schütteln, noch ehe er verneinen kann, knackt es hinter ihnen. Und als sie sich umdrehen, sehen sie die Dorfgemeinschaft, sie sehen hundert, zweihundert Menschen auf sich zukommen. Die Großmutter tritt aus dem Pulk heraus und giftet: „Ich habe dir hundertmal gesagt, wer in den Wald geht, kommt nicht wieder heraus. Ich habe dich hundertmal gewarnt, du aber konntest nicht gehorchen.“