Du sollst nicht Ehebrechen

Du sollst nicht Ehebrechen im trostlosen Hotelzimmer

Als die Glocke siebenmal geschlagen hatte, zog Herr Schneider seine Hose an, knöpfte das Hemd zu und schnürte die Senkel seiner Schuhe.
Frau Wiener blieb noch liegen um später ihre Frisur zurichten. So konnte sie unmöglich auf die Straße gehen.
Nicht nur dass ihr Mann auf Gedanken kommen würde, wenn er das Chaos ihrer Haare richtig deutete, auch die Frau von Herrn Winter könnte eine Affäre von Frau Wiener vermuten.
Und Frau Winter war bekannt dafür, dass sie an Türen horchte und durch Schlüssellöcher guckte.
Allerdings wurde Frau Winter, bevor sie die Möglichkeit hatte, die zerzausten Haare von Frau Wiener zu bemerken, wenn diese ihre Frisur nicht sowieso geordnet hätte, von einem Lastwagen überfahren. Vor ihrem Haus.
Der Fahrer war betrunken und versuchte noch, zu entkommen.
Die Polizei konnte den Lenker des LKWs wenige Straßen vom Unfallort entfernt stoppen. Sie nahmen ihm den Führerschein ab.
Wenig später öffnete Frau Wiener ihrem Mann die Tür und nahm ihm Hut und Mantel ab.
Der schreckliche Unfall vor ihrem Haus war das Gesprächsthema beim Abendessen.
Nach dem Pastor Wiener die akkurate Frisur seiner Gattin bewundert hatte, zog er sich in sein Arbeitszimmer zurück, zündete sich eine Zigarre an und bereitete bei einem Glas französischem Cognac die Predigt für den sonntäglichen Gottesdienst vor. Thema: Du sollst nicht Ehebrechen.

R.Gruwe

Renegald Gruwe, Jahrgang 56, lebt in Berlin als Musiker, Zeichner und Schriftsteller. Über das Verfassen von Liedtexten kam er zum Schreiben von Belletristik.

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