Der Besucher
Irgendwann schien vieles weg, fort, verschwunden zu sein, das große Vergessen tauchte auf und verschluckte, was es kriegen konnte. Eines Tages war er sogar bereit, ins Lager zurückzukehren, nicht als Gefangener, wie damals, sondern als Besucher, auf Einladung der Kinder und Kindeskinder seiner Häscher. Und dann steht er auf dem Appellplatz, er steht stramm, wie einst, aber dann schon nicht mehr, denn dann steht er vor dem Krematorium, in dem so viele seiner Kameraden verschwanden. Er sieht sie vor sich: abgemagert, geschunden und geschlagen. Er sieht sie, wie sie aus dem Krematorium heraus auf ihn zukommen, eine ganze Schar in gestreiften Sträflingskleidern, mit offenen Armen und Tränen in den Augen, Tränen der Freude, ihn wiederzusehen. Doch da poltert plötzlich eine Stimme hinter ihm, eine brutale Stimme mischt sich hinterrücks in seine Freude und zertrampelt sie. Und als er sich nach ihr umdreht, sieht er einen Schergen in seiner schwarzen Uniform, mit der Reitpeitsche in der Hand und einem Satz im Mund, wie damals, mit dem Satz: Nichts ist schwerer zu ertragen als eine Reihe von guten Tagen.