Tatort Berlin: Marzipanschweinchen
Der 5. Krimi für starke Frauen
Hauptkommissarin Knäckes liebt den Ausblick vom Fernsehturm auf Berlin. Weit weg die Stadt, unerreichbar, zur Ameisenstadt geschrumpft. Sie hasst den Ort ihrer Verbannung, diese Stadt, in der alle Kleinkarierten der Nation plötzlich meinen, leben zu müssen. Hauptkommissarin Knäckes sehnt sich in ihr Einzimmer-Appartement in Köln-Porz zurück.
Ihr einziger Halt ist Kollege Wamsmeier. Wie sie: zwangsversetzt – aus Niederbayern. Jovial, bauchig, immer mit den besten Pralinen bei der Hand, eingefleischter Currywurst-Hasser. Hauptkommissarin Knäckes ist lang, dürr, knusprig und verfressen.
„’s geht doch nicht an, dass wir heute koane Verbrechen nicht ha’m!“ stöhnt Wamsmeier und fährt sich mit einer karierten Tischdecke über die Stirn. Knäckes setzt sich auf die Kante seines Schreibtisches, betrachtet ihre hochgereckten Doc Martens und stibitzt dem Partner eine Schnapsbohne.
„Warte, bis das Telefon klingelt,“ mampft sie.
Das Telefon klingelt.
„Oha!“ erschrickt Wamsmeier.
„Das Telefon klingelt,“ säuselt Knäckes.
„Oh ja, scho kloar, das Telefon klingelt,“ stottert Wamsmeier.
„Nimm endlich ab,“ befiehlt Knäckes mit Williamsgeist an Nusskrokant in der Stimme.
„Ja was, a Mord, a echder Mord!“ freut sich Wamsmeier und stopft sich drei Nougatpralinen auf einmal in die Backentaschen. Die Berliner Statistik ist gerettet. Die karierte Tischdecke wischt über sein Doppelkinn.
Wamsmeiers Bericht lässt Hauptkommissarin Knäckes quietschend auf den Doc Martens umdrehen. Der Riss, der in ihre triple-stone-washed Designerjeans platzt, knallt in der plötzlichen Stille wie ein Schuss.
Einen Mord hat es tatsächlich gegeben. Aber man solle mit aller Dezenz und Langsamkeit eines Hauptstadtkommissariats ermitteln, schließlich sei das Opfer noch nicht ganz tot. Absolute Geheimhaltung, höchstes Staatsinteresse. Das hieß es auch, wenn in der Lieblingskneipe des Finanzministers die Toiletten verstopft waren.
Ein Bote unterbricht die Grübelnden.
„Vom BKA,“ sagt er und legt ein längliches Päckchen auf den Tisch.
Wamsmeier reißt ungeduldig das Packpapier weg.
„Ja wo sammer dennn … – Edle Geister mit Schuss!“
Ein Anruf, der Hauptkommissarin Knäckes auf 175 Zentimeter schrumpfen lässt, bedeutet der Mordkommission, abzuwarten, bis das Opfer auch wirklich eines ist. Knäckes schüttelt den Kopf, lutscht an einer Schnapskirschenpraline, schüttelt wieder den Kopf.
„Das gefällt mir nicht. Wir gehen hin. Under cover.“
Wamsmeier poliert seine Stirn mit dem Tischtuch und wischt dann damit über seine Dienstwaffe.
Vorsichtshalber packen sie das Geschenk des BKA ein, parken eine Straße weiter um die Ecke, schleichen sich mit Sonnenbrillen an.
„Steck das verdammte Schnupftuch weg!“ empfiehlt Knäckes zur besseren Tarnung.
Unerkannt gelangen die beiden in den Bundestag. Ein Gewimmel von Notärzten, Rettungssanitätern, Einsatzkommandos.
Der Mann vom BKA zieht Berlins berühmteste Mordkommission in ein leeres, schallgedämpftes Büro. Großzügig bietet er auf einer Silberplatte Marzipanschweinchen an.
Wamsmeier beißt einem den Kopf ab.
„Ihr könnt hier nichts mehr tun,“ sagt der freundliche Herr in Schwarz, „die Regierung ist eben verstorben.“
Wamsmeier senkt sein verschwitztes Gesicht in die Karos und taucht mit strahlenden Augen wieder auf.
„Wurde aber auch Zeit!“ lacht er und beißt dem Schwein den Hintern ab. Knäckes bewahrt als einzige einen kühlen Kopf und denkt so laut wie eine chinesische Rechenmaschine.
„Wir ermitteln also auf Freitod?!“ fragt sie den Kopf ihres Marzipanschweins.
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