Der Geist
Der Umgang mit dem Geist in meinem kleinen Zimmer gestaltet sich nun schon seit einigen Jahren konfliktfrei und harmonisch. Nach einer kurzen Phase des Misstrauens und – wie ich gestehen muss – der Angst (die wahrscheinlich nur von mir ausgelebt wurde und damit also eine einseitige Gemütsbewegung blieb) gingen wir uns aus dem Weg. Der Geist stört mich nicht mehr, und ich lasse ihn in Ruhe und denke nicht über die zahlreichen Austreibungsmethoden nach, die mir einst nach einer kurzen Suche im Internet entgegenblühten.
Manchmal grüßt er mich mit einem schwachen Schlag auf die Schulter, aber weitere Annäherungen unterlässt er. Es handelt sich um einen diskreten Geist. Nicht einmal sein Atem ist zu hören.
Es dauerte einige Zeit, bis sich mir seine Anwesenheit aufdrängte; aber dann gab es keinen Zweifel mehr. Ein hauchbreit verschobenes Blatt Papier, eine veränderte Reihenfolge im Bücherstapel neben dem Bett, die zählederne Topfpflanze, die plötzlich erblühte und sich unerwartet guter Pflege erfreute – dies alles waren untrügliche Beweise.
Ich hütete mich, jemanden von meiner Entdeckung zu berichten. Ein freimütiger Bericht, an falscher Stelle erzählt, hätte zu unangenehmen Weiterungen führen können. Und so leben wir zusammen im kleinen Zimmer, das er nie verlässt.
Der Geist weiß mehr als ich, mehr als alle. Nachts schaut er mir über die Schulter. Sein schwacher Schatten fällt auf das Papier, das ich beschreibe; ich ziehe die Luft tief ein und weiß nicht, warum. Ein alter, schiefer Hund jault auf der Straße, und er weiß nicht, warum. Er will nur ein Hund sein, und nicht auch noch ein Symbol, dem eine höhere Bedeutung den Rücken beugt. Die Dielen knacken; das Haus erzittert in allen seinen Steinen, und ich weiß nicht, warum. Und wenn alle schon im Bett liegen, wandelt der Geist noch lange durch das Zimmer, her und hin, und ringt die bleichen Hände; er weiß, warum.