Herostrat
Es war einmal eine kleine Grafschaft, die im ausglühenden Mittelalter wenig mehr als eine Handvoll Dörfer sowie das Haupt- und Residenzstädtchen Siffingen umfasste. Die Grafschaft träumte vor sich hin, in ewiger Wiederkehr von Frühling und Sommer, Herbst und Winter, von Aussaat und Ernte, Geburt, Heirat und Tod. Graf Luschi XXII. konnte diese Ruhe, diese Gleichförmigkeit nicht ertragen. Für einen Ritter wie ihn gehörten Kampf und Krieg zum guten Ton.
Als Spielball bot sich nur die Nachbarherrschaft Zwiedorn an. Diese war kaum größer als Siffingen. Die Chronisten schrieben Erntedank 1401, als Graf Luschi mit seiner ungewaschenen Gefolgschaft den Jahrmarkt von Zwiedorn stürmte. Es begann eine Schlägerei, ein Keilen und Keulen, bis der Markt dem Torvorplatz der Hölle glich. Häuser und Hütten brannten. Nur mit Not gelang Luschi und seinen Ungewaschenen der Rückzug. Endlich hatte er den Heldenschweinkram, den er brauchte.
Graf Luschi peitschte seine Hörigen zusammen. Er machte seine armen Bauern zu armen Kriegsknechten. Dann fiel er wiederum in Zwiedorn ein. Dort traf er kaum auf Gegenwehr. Trotzdem machte er alles nieder, was sich bewegte: Männer, Frauen, Kinder. Selbst das Vieh wurde seiner Wut geopfert. Graf Zwitter XX. von Zwiedorn indes hatte fliehen können.
Luschi überblickte sein Lebenswerk und schloss, den Weg zur Unsterblichkeit noch nicht betreten zu haben. Und so überzog er auf Anraten seines Kanzlers, eines Traumdeuters und Narren, die Nachbarprovinzen mit Krieg.
Schon marschierte ein Reichsregiment auf. Graf Luschi stellte sich der Übermacht in offener Feldschlacht. Die Seinen warfen sich mit wehender Fahne dem Tod in die Arme. Ihm selbst blieb die Ehre versagt, kämpfend zu krepieren. Er wurde gefangen, gefesselt und in die Verließe der Reichsburg zu Nürnberg geworfen. Dort verreckte er an seiner Angst vor einem Ende in Schimpf und Schande. Und die Moral von der Geschicht: So wie ein Luschi handle nicht!