Knife-Girl und der Bad-Guy
Die Leiche ist noch warm. Fast fiebrig fühlt sie sich an. Ein Toter mit Temperatur. Dann kann der Mörder noch nicht weit sein, erkennt Knife-Girl in Sekundenbruchteilen. Sie hört ein leises Knacken. Sich hinter den Mauervorsprung werfen und das Klappmesser zücken, ist eines. Über ihr spritzt der Mörtel auf, sie registriert es eiskalt. Stille tritt ein. Knife-Girl öffnet schnell ihre Hose und schiebt sich eine dünne Binde in ihren Slip. Sie hört es knistern – da, wieder dieses helle Knistern, da hinter den Büschen.
Der Mörder wickelt hektisch die längste Praline der Welt aus, weil sein Blutzuckerspiegel schlagartig abgesunken ist. Doch er hat nicht vergessen, vorher die Pumpgun nachzuladen. Heftig kauend will sich der Mörder aus dem Staub machen. Das kann Knife-Girl nicht zulassen. Auf leisen Sohlen prescht sie hinterher, in dem sicheren Gefühl, sauber und trocken zu bleiben.
Wieder eine Salve, die nicht weit daneben liegt. Knife-Girl lacht unhörbar in sich hinein und greift zu ihrem wasserdichten Brillenetui. Entspiegelte Multiplex-Gläser: Schlagartig hat sie wieder den totalen Überblick, selbst in der Dämmerung. Ein weiterer Schuss: Das ist die reine Panik.
Der Mörder weiß es – in diesem Moment weiß er, wer ihm nachsetzt. Er muss sich beruhigen. In einem einzigen Zug trinkt er die halbvolle Flasche Tai Ginseng leer. Es wirkt sofort, die Nerven flattern nicht mehr, die Gedanken ordnen sich, seine Zuversicht wächst. Zwar war es ein Fehler, Knife-Girl zu unterschätzen, aber noch ist er nicht verloren.
Ein stechender Schmerz, so stark, so unerhört, dass er nicht mehr schreien kann. Durch den Blutnebel aus seiner Halsschlagader sieht der Mörder Knife-Girls unbewegtes Gesicht über sich. Im letzten Aufbäumen fällt ihm die Risikolebensversicherung zugunsten seiner Frau ein. Noch einmal rammt sich der gleißende Stahl in seinen Körper, nun direkt ins Herz. „Nur siebzehn Euro fünfzig pro Monat“ – sein letzter Gedanke, dann ist es ist vorbei.