Als der GEZ-Mann dreimal klingelte
In Wirklichkeit klingelte er nur ein Mal. Ding Dong. Ich wohnte in der ersten Etage und öffnete, weil ich dachte, es wäre eine Nutte die bevorzugt Hausbesuche macht. Schon durch den Spion betrachtet, erschien mir die Person nicht wie eine hübsche langbeinige Nutte, zumal ich keinen Stöckelschlag auf den Stufen gehört hatte und meine Freundin im Begriff war sich auszuziehen.
Dummerweise war ich selbst bereits so leicht bekleidet, wie man eine Nutte auf Hausbesuch erwartet. Ich öffnete etwas entnervt, mein Ding verlor die Hälfte seines Volumens.
„Guten Tag, ich bin vom WDR“, dabei zeigte er einen Ausweis, den er, noch bevor ich ihn richtig begutachten konnte, wieder dezent in der Jackentasche verschwinden ließ. Natürlich, wie sich gleich darauf herausstellte, war der Typ nicht vom WDR. Er arbeitete im Auftrag des WDRs und wollte wissen, ob ich Radio- oder Fernsehgeräte besaß. Was ich verneinte.
„Wir haben konkrete Hinweise, dass sie Rundfunk- und Fernsehempfänger betreiben.“
Er sprach dezent leise. Vermutlich einer von der besseren Sorte, dachte ich. Oder alleinstehend und ohne große Ansprüche.
„Guter Mann“, begann ich, und hatte eigentlich keine Lust weit auszuholen und hätte lieber die Tür zugeknallt und mich meiner abklingenden Erektion gewidmet, „nun mal keine falschen Beschuldigungen, wir sind hier nicht in Simbabwe.“
Die Wohnzimmertür stand offen. Von drinnen hörte man die charakteristischen Dialoge einer Daily-Soup. Aus dem laufenden Fernseher.
Nach zwei Sekunden sagte der Typ: „Sollen wir anmelden?“
„Wenn ich dann den Pulitzerpreis kriege?“
Was einem in solchen Fällen klar sein sollte: Die GEZ, sprich Gebühreneinzugszentrale der Öffentlich-Rechtlichen Rundfunkanstalten Deutschlands, beschäftigt keinen Außendienst. Die sind viel zu schlau, um sich selbst in die Nesseln zu setzen, sie heuern Freiberufler an, arme Selbständige, die von Provisionen leben müssen. Manche leben nicht schlecht, das sind eben jene, die über ein Repertoire an Phantasie verfügen.
Zuerst würden sie gerne Einlass in die Wohnung bekommen. Aber das dürfen sie nach ihrem Status genauso wenig wie ein Zeitschriftenwerber.
„Und, was höre ich da? Sind das nicht die Geräusche aus einem Fernseher?“
„Nee, das ist meine Freundin, die macht nach was sie vorhin, in ihrem eigenen angemeldeten Fernseher gehört hat. Sie will gleich gefickt werden. Keine große Sache.“
„Darf ich mich davon überzeugen?“, fragte der GEZ-Scherge.
„Wie ich meine Freundin ficke???“
Es hat sich längst rumgesprochen, dass man weder Drücker noch GEZ-Schergen in die Wohnung lassen muss. Erstere kriegen meisten einen Fußtritt, zweitere werden noch höflich behandelt, obwohl bei beiden, rechtlich gesehen, kein Unterschied besteht. Die GEZ ist ein Teil der Öffentlich-Rechtlichen, und die sind keine Behörde. Einen Fernseher oder ein Radio nicht anzumelden entspricht einer Ordnungswidrigkeit. Wie falsch Parken.
„Ich könnte die Nachbarn fragen, ob die gehört haben, ob Sie einen Fernseher besitzen“, sagte der Kopfgeldjäger.
„Ich dachte, Sie hätten einen konkreten Verdacht?“
„Also, es ist doch offensichtlich, machen wir das Formular. Ansonsten drohen bis zu 1000 Euro Strafe.“
Er hatte das Antragsformular und den Kugelschreiber längst in der Hand.
„Ich habe nichts“, murmelte ich, was gleichzeitig bedeuten konnte, ich sage nichts.
„Dann müssen wir ein Ermittlungsverfahren einleiten.“
Ermittlungsverfahren, dachte ich, Heilige Scheiße, der Typ spinnt. Was ich ihm auch leicht abgeschwächt sagte. Mir war ebenfalls klar, dass die GEZ Adressen vom Einwohnermeldeamt kriegte und in der freien Wirtschaft, besonders bei Zeitschriftenverlagen, Adressen kaufte. Usus in der BRD. Nur zwei oder drei ostdeutsche Bundesländer, die berechtigte Angst vor einem findigen und im Datenschutz gewieften Kläger hatten, der selbst das Verfassungsgericht nicht scheuen würde, enthielten sich dieser Praxis.
Tja, der arme Mann, der lediglich Geld verdienen wollte, merkte, dass sein Argument eines sogenannten Ermittlungsverfahrens kläglich scheiterte. Mir war bewusst, wie die GEZ arbeitete: Das Haus in Köln-Bocklemünd beherbergt gut 800 Angestellte, hauptsächlich Frauen. Sie sitzen an weißen Schreibtischen die auf grünen Teppichböden stehen und lesen Briefe. Ca. 50 000 am Tag. Und verschicken noch mehr. Das komplette Forcieren der Sache fällt diesen Frauen zu: Adressen werden aus Datenbänken abgeglichen, werden von Fremdfirmen gekauft und vor allem wird jeder Umzug, jede An-und Abmeldung des Einwohnermeldeamtes registriert. Notorische Gebührensparer, wie ich es einer bin, bombardiert man insgesamt drei Mal: Die Erstaufforderung, nach 8 Wochen eine Erinnerung, dann, weitere 8 Wochen später, noch eine. Dann ist erst mal Schluss. Zumindest schriftlich. Jetzt muss man sich nur noch vor den rund 1000 Freiberuflern in Acht nehmen.
Gebühreneinzugsbeauftragte bedienen sich der Angst und Einschüchterung, und selbst das Gerücht einer möglichen Hausdurchsuchung macht hartnäckig seine Runde.
„Sie müssen damit rechnen, dass wir ihnen einen Peilwagen vor die Tür setzen.“
„Na ja,“, sagte ich, „solange der nicht im Halteverbot steht …“
Ich knallte ihm die Tür vor der Nase zu und betrachtete im Spion, wie er sekundenlang blieb wo er stand und etwas notierte. Vielleicht appellierte er an meine Angst, dass ich den Fernseher, die Musikanlage und das kleine Radio in der Küche demnächst verstecken oder verkaufen müsste, um nichts dergleichen in der Wohnung zu haben und meiner Freundin sagen, sie dürfe diese Geräte nicht mehr einschalten. Wegen dem Peilwagen.
Dumm ist nur, dass die GEZ gar keine Peilwagen besitzt. Was das Straßenbild an Transportern mit Antennen auf den Dächern hergibt, sind die Peilwagen der Telekom, und die sind allein im Auftrag IHRER Firma unterwegs, um elektromagnetische Störfelder aufzuspüren.
„Wer war denn das?“, fragte meine Freundin.
„Ach, so ein Kerl der Zeitschriften verkaufen wollte.“
„Du bist mir einer“, sagte sie, „ich hätte den Typen sofort vor die Tür gesetzt. Du mit deiner Freundlichkeit.“