Tatort Uppsala: Das Kerngehäuse
Der 7. Krimi für starke Frauen
Zugegeben, die Leiterin der Mordkommission, Luna Wasa, war keine Schönheit im landläufigen Sinn. Alkoholkonsum und unregelmäßiges Essen hatten ihren Körper würfelförmig gestaucht. Augensäcke und Depression lieferten sich jeden Morgen ein Duell, wer tiefer sinken könne. Der Mann war ihr weggelaufen, die Mutter geistig weggetreten. Ihre Kollegen hatten Verständnis, wenn man ihr ansah, dass sie wieder neben der leeren Schnapsflasche eingeschlafen war. So ist das in Schweden und schuld daran sind Regierung, Wetter und Polizeiarbeit.
Luna Wasa lässt sich nicht unterkriegen. Sie wischt an einem Soßenfleck vom Vortag und grübelt dabei über das schreckliche Ende von Hühnereiern im modernen Sozialstaat. Sie blickt kaum auf, als ihr Kollege Kjell hereinschlurft und sich mit einem Comic-Heft an den Schreibtisch fläzt.
„Ach Luna, was ich mal fragen wollte…“ setzt Kjell an.
„Hast du schon mal so ein armes Ei in der Soße, ich meine nach seinem schrecklichen Ende…“ murmelt Luna in Richtung Papierkorb.
„Luna, dieser Serienmörder, also ich weiß nicht so recht, wir müssen vorsichtig sein.“ Kjell kippt den Stuhl nach hinten und kratzt sich am Bauch.
„So ein rohes Ei, ja du hast Recht, Kjell. Da heißt es vorsichtig sein. Es soll ja nicht klumpen. Nachher. In der Soße.“ Luna steht auf, zieht den Rollladen vor das nachmittäglich nächtliche Fenster.
„Luna,“ versucht es Kjell von Neuem, „die Augenzeugen sagen, es wären Ausländer gewesen, vielleicht kommen wir da weiter!“
Jetzt springt die Kommissarin ein zweites Mal auf, hellwach, und sagt: „Rohe Eier. Wie rohe Eier. Du wirst sehen, wir werden sie wieder alle am Bein haben, die Rechten, die Linken, die in der Mitte. Wie kommen die bloß darauf?“
„Einer hat den Hasen gefüttert.“
„Aha!“
„Damit ist doch alles klar?“ fragt Lunas Kollege.
„Wunderbar. Jetzt müssen wir nur herausfinden, wer den Hasen gefüttert hat. Erinnerst du dich an den Mord mit der Schrotflinte keine zwei Kilometer weit vom Asylantenheim?“
Kjell strahlt, endlich kann er seine Kombinationsgabe beweisen. Er erzählt vom Stand der Ermittlungen: „Der Kerl hatte einen Apfel gegessen. Wir haben das Kerngehäuse neben seinem Fußabdruck gefunden. Hätte das Pferd auf der Weide nebenan daran geknabbert, hätten wir ihn nie entlarven können. Du weißt, wir haben lange vergeblich in der rechten Szene ermittelt. Aber die essen keine Äpfel.“
„Und jetzt haben wir rohe Eier an der Backe,“ stöhnt Luna Wasa, inzwischen mit der Büroschere an dem verkrusteten Fleck kratzend.
Kjell geht ganz in seiner Rolle als Ideenzuträger für seine verehrte Chefin auf. „Was wäre, wenn der Apfelmörder, weil er nicht rechtsradikal sein kann, in Wirklichkeit ein Ausländer ist, der eine Clanfehde mit Schrot lösen wollte? Und dann ist ihm das Ehepaar mit dem Hasen quer gekommen und dann hat er den Hasen mit einem Apfel ruhiggestellt und die beiden mit dem vergifteten Apfelmus gemeuchelt?“
Luna Wasa runzelt die Stirn und rührt in einem Eimer Kaffee. Die Theorie gefällt ihr nicht. „Würdest du denn von einem Ausländer Apfelmus essen? Also ich bin überhaupt nicht rassistisch, das weißt du, ich bin mir der Situation auch voll bewusst, in die uns die Medien drängen, aber bitte, warum ausgerechnet Äpfel? Warum nicht Mangos, Litchis, von mir aus Melonen?“
„Weil Winter ist. Und weil der schwedische Staat den armen Kerlen nicht mal den Apfel gönnt.“
„Da könnte was dran sein.“ Kommissarin Wasa legt den Zeigefinger in den Fjord über ihrer Nasenwurzel. „Der Filz der Bürokraten. Einer im Einwanderungsbüro spielt doppeltes Spiel. Rohe Eier contra Äpfel. Die Heimleiterin weiß von nichts. Und plötzlich regnet es in Strömen. Tagelang. Der Hase musste deshalb im Stall bleiben.“
„Bratäpfel! Das ist es!“ schreit Kjell.
„Kjell, du bist ein Schatz!“ säuselt seine Vorgesetzte.
„Und die Eier waren nicht roh!“ legt er freudig nach.
Luna Wasa zwängt sich vom Schreibtisch in die Senkrechte. „Also, ich denk mal, du trommelst vielleicht ein paar Leute zusammen und dann könnten wir die Heimleiterin verhaften. Aber schau, dass die Presse keinen Wind davon bekommt, die machen gleich wieder eine politische Geschichte daraus.“
Kjell zieht sich in Zeitlupe seinen Anorak an und grübelt: Du meinst also, die Heimleiterin hat mit dem Mann im Einwanderungsbüro alles eingefädelt, um den Rechten einen Gefallen zu tun?
„Sie hat sogar beide Morde begangen. Auf der Speisekarte im Heim steht einmal die Woche falscher Hase. Klar, dass sie den echten gefüttert hat, um vom Apfelmus der beiden Alten abzulenken!“
Kjell bohrt verstohlen in der Nase und zieht an einem herausstehenden Haar: „Apfelmus? Wieso plötzlich Mus?“
„Ist doch egal. Mit einem Kerngehäuse fängt alles an. Werfen es in die Natur, ohne sich zu schämen. Das sind die geistigen Verschmutzer in unserem Land und die Regierung macht mit, indem sie die Bäume subventioniert. Kein Wunder. Zuerst ist es ein Kerngehäuse, dann eine Ladung Schrot und irgendwann der falsche Hase, mit dem sie die Minderheiten betrügen.“
„Scheiß Leben!“ knurrt Kjell. „Aber immerhin bleibt uns noch genug Zeit, einen zu heben?“
Luna strahlt: „Wir heben jetzt gleich einen. Verschieben die Verhaftung lieber auf Morgen. Wir sollten die gesamte Problematik noch einmal durchgehen. Falscher Hase in einem Staat wie diesem. Wenn das die Presse spitzkriegt!“
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