Von der Kunst, das Glück zu beglücken

Ich war 45 und spürte eine tiefe Traurigkeit in mir. Meine Frau hatte ihren Lebenstraum verwirklicht und levitierte trotz ihrer überflüssigen Pfunde mit Leuchteaugen über den Bettvorlegern dahin. Mein eigenes Glück war farblos und schal geworden, irgendwann gestorben in Überstunden ohne Klimaanlage, in den Hotels und Konferenzsälen fremder Städte. Ich spürte, dass es so nicht weiterging. Mein Sohn hatte mich eines schönen Wochenendes nicht mehr erkannt: „Mama, ist das der Mann, der immer zu uns kam, als ich noch klein war?“ Mein Gartengrill hasste mich und blies mir dicken Rauch ins Gesicht, der Kühlschrank bekam ein eigenartiges Brummgeräusch. Blind meiner Umwelt gegenüber war ich nicht, ich konnte ganz genau erkennen, dass die Gartenzwerge im Vorgarten neuerdings hämisch grinsten und selbst die Mülltonne mir nur ihre abweisende Seite zeigte.

„Junge,“ meinte grinsend mein älterer Kumpel, „Junge, du musst dein Glück wiederfinden, musst zu dir selbst kommen. Wann hast du denn mal richtig gelebt?!“

Recht hatte er. Ich hatte den Rasen gemäht, während meine Frau mit den Gartenzwergen kokettierte. Ich hatte den Kühlschrank repariert, als mein Sohn fragte, ob wir in die Eisdiele gehen könnten. Ich hatte die Fenster gestrichen, als die Sonne perfekt für ein gemütliches Barbecue stand. Und ich hatte für all das Geld verdient und herbei geschafft, jahraus, jahrein. Während meine Frau nur mit dem Kind spielte, den Kühlschrank leer fraß und ihren Lebenstraum mit der von mir bezahlten Muse entwickelte. Das Leben ist ungerecht. Für einen erfolgreichen Mann in höherer Position ist es grausam. Reicht einem mit der rechten Hand den Vorstandsposten und zieht einem mit der linken das Glück weg.

Wie es sich für einen Mann in meiner Position und meinem Alter gehört, verließ ich Frau, Kind und Haus und zog aus, das Glück zu suchen. Mein Leben sollte ein grundlegend anderes werden. Ich las buddhistische Bestseller, ging ins Zenkloster, vernaschte vier Zwanzigjährige, fuhr 240 auf der Autobahn, fing Bisamratten im kanadischen Winter, schwieg monatelang mit einem indischen Guru, hängte meine Seele an ein Bungee-Seil, schlief unter Pariser Brücken, soff und kiffte, schamanisierte und schattenboxte, trainierte Selbstfindung und Selbstentäußerung. Ich war in Männer- und Frauengruppen, spielte Transvestit und half in Kindergärten als Kasperle aus. Heute kann ich jedem Mann in meiner Lage dieses 13-Monats-Programm wärmstens empfehlen.

Denn ich habe mein Glück gefunden. Ich habe den Schlüssel zum Glück gefunden! Jeder wird verstehen, dass ich hier die wichtigsten dreizehn Weisheiten meiner Glückssuche teilen und verschenken will: 

  • Wenn dein Kühlschrank brummt, höre ihm zu. Er hat dir etwas Wichtiges zu sagen.
  • Sei nicht eifersüchtig, wenn deine Frau mit Gartenzwergen kokettiert, die unter 1,75 m messen.
  • Egal, wessen Unterhosen du trägst, du kannst deinen eigenen Fürzen nicht entkommen.
  • Wenn dein Sohn dich nicht mehr erkennt, überprüfe, ob er überhaupt dein eigener ist.
  • Bungeespringen lohnt sich nur, wenn man nachher auch unter der Brücke aufgegriffen wird.
  • Mit 240 km/h auf der Autobahn sprengst du keine Fesseln, solange du in der Geschäftlimousine sitzt.
  • Schau öfter in den Spiegel deiner Seele – Du stehst deinem Glück selbst im Wege und stichst es mit Nadelstreifen.
  • Die effektivste Methode, vom Kopf- zum Bauchmenschen zu werden, ist ein Harakiri-Kurs.
  • Du willst weicher werden? Hör auf, Fenster zu streichen. Mäh die Gänseblümchen nicht ab.
  • Du liebst deine Frau nicht mehr? Das ist normal. Schau dich doch bloß mal an!
  • Du suchst das verlorene Paradies, das Prickeln von früher? Stell den Zeitzünder rückwärts ein.
  • Du suchst Liebe und Glück? Verschenk beides.
  • Du willst endlich wieder glücklich sein? Beglück dein Glück. Sei nett zu ihm, schenk ihm die vollen Seiten deines Terminkalenders. Denn das Glück ist eine Frau. Fordernd und flüchtig.

Herzlichst, Ihr Hans-Günter Rodenbaum, leitender Direktor und Vorstandsmitglied bei der Auspower AG.

H.G.Rodenbaum

Karrierist, schreibt nur heimlich | Sein Hobby, für das er zwischen Konferenzen und Flügen um die Welt viel zu wenig Zeit hat, ist bei einem Selbsterfahrungsseminar für Führungskräfte entstanden. "Ich lebte damals die übliche Bigamiesituation zwischen den gefüllten Fleischtöpfen meiner Frau und der Fleischeslust zu meiner Assistentin", erinnert er sich. "Ich war total down. Meine Frau betrog mich mit ihrem Metzger, meine Geliebte mit meiner Sekretärin und ich dachte, die Monatsüberweisung meines Gehalts sei eine tiefe Emotion." | Rodenbaum fand aus seinem Tief heraus: "Mein Coach lehrte mich therapeutisches Schreiben. In der Kaschemme fand ich mein Sanatorium." | Unerkannt lebt er im dunklen Anzug mit Krawatte in Frankfurt.

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