Burning Man Festival
Tief in der Wüste von Nevada, am einsamsten Highway der Vereinigten Staaten, wo an der Area 51 die UFOs landen, brennt ein riesiger Mann. Und zwanzigtausend Nackte tanzen in der sternenklaren Nacht um ihn herum. Trommeln dröhnen durch die Einsamkeit und Tamburins klirren im Takt. In der Ferne heult ein Coyote. Die Hippies sind wieder da.
Die Fete in der nördlichen Sandwüste des Glücksspielparadieses Nevada heißt Burning Man Festival, und sie gilt heutzutage als größtes Kunst-Happening im Land. Seit einer Woche schon kommen Langhaarige in alten VW-Bussen und Alternative auf der Harley in die Black Rock Desert und stellen ihr Zelt auf, bringen Bands ihre Instrumente und versuchen mannhaft, knatternde Dieselgeneratoren zu übertönen, und seit einer Woche dreht der Sheriff des menschenleeren Washoe County durch. Denn die Besucher kommen aus aller Welt, sie verstehen sich als Künstler und Freigeister, als Revoluzzer und Partylöwen, und die baumlose Ebene als ihre Bühne. Ringsum Indianerreservate, mittendrin Anarchie – das bringt den stärksten Sheriff um den Verstand.
Eigentlich begann die Tradition des Männchenverbrennens damit, daß die Freundin des jungen Larry Harvey aus San Francisco mit einem anderen durchbrannte, was Künstler Larry zum Anlaß nahm, ein Bildnis des Nebenbuhlers zu zimmern, an den Baker Strand zu schleppen und im Kreise seiner Freunde symbolisch abzufackeln. Dann tranken sie den Rotwein aus und gingen nach Hause. Und weil´s so schön war, wiederholten sie die Verbrennung im Jahr darauf. Aber bald hatten sich dreihundert Leute am Strand eingefunden, und die Polizei drohte mit Knast, falls nochmal Brand gestiftet würde. Also zog man im nächsten Jahr in die Wüste – nach Nevada. Und je mehr Leute von der Fete erfuhren, umso mehr kamen. Wer in Kalifornien zum hippen Underground gehören wollte, mußte am Labor-Day Wochenende zum Burning Man.
Burning Man Festival
Mitten in der topfebenen Eintönigkeit der Black Rock Desert durfte man, was woanders nicht ging. Nackt herumtanzen, während man nordkalifornischen Sinsemilla durchzog. Tage- und nächtelang trommeln, rocken, schießen, Auto- und Motorradrennen veranstalten, mitgeschleppte oder am Ort angefertigte Kunst ausstellen und sich selber als Kunstobjekt geben. Alles ging, bis auf Kommerz. Der war verpönt, denn die Avant-Garde war doch hier unter sich, und da kassiert man nicht voneinander. Alles muß hereingeschleppt werden, Lebensmittel und Wasser, Zelt und Sprit, denn Gerlach, die nächste Siedlung, ist viele Meilen entfernt.
Die Burning Man Feten dehnten sich aus bis sich endlich die Woche etablierte, die heute als Minimum gilt. 1994 wurden die ersten riesigen Kunstinstallationen aufgestellt; professionell gestaltete Werke, die die Aufmerksamkeit der Medien erregten. BBC kam mit einer Kameracrew, und CNN war da, womit das Insidertum zum Teufel ging. In den nächsten Jahren wurde Burning Man zum Massenspektakel, zum Open-Air mit Feuerwerk und strengen Verhaltensnormen, eine ferngesteuerte Kunstorgie, wo während einer wilden Woche flanellgrau dem Ganzkörpersonnenbrand weichen muß. Um Voyeure fernzuhalten, sollen Besucher der Wüstenvernissage die ganze Woche Staub schlucken; vorher abreisen wird mit gesellschaftlicher Aechtung bestraft. Trotzdem soll es Gutsituierte geben, die den Familienluxusfuhrpark um einen verrosteten VW-Bus erweitern, damit sie stilecht beim Burning Man auftreten. Die finden nichts dabei, daß zum heute beginnenden 13. Burning Man Festival erstmal hundert Dollar pro Besucher geblecht werden müssen. Hippie ist inzwischen nur noch eine Moderichtung.
–
—
—
Was von Peter J. Kraus lesen:
Geier