Scheiß auf Hollywood

Jeff Bourke war bereits in den Vierzigern und hatte es in Hollywood nicht geschafft. Er war ein guter Schauspieler, galt aber als schwierig, und seine letzte Rolle lag bereits über ein Jahr zurück. Die Scheidung von seiner Frau nicht ganz so lang, und neben dem Geld was sie ihm abnahm, verkaufte sie die ganze Story noch an die Schmierblätter. Am Ende hatten sie ihn zu einem saufenden Höhlenmenschen gemacht, der nichts tat, außer seine Frau zu verprügeln und sie zu sexuellen Abartigkeiten zu nötigen. Das war es, was sie hören wollten und sie konnten nicht genug davon bekommen. Möglicherweise klingelte genau aus diesem Grund das Telefon. Für ihn war die Sache vom Tisch, aber diese Kolporteure pochten noch immer auf eine Stellungnahme seinerseits. Zu einer waschechten Schlammschlacht gehören eben mindestens zwei. Aber darauf konnten sie lange warten. Mittlerweile lebte er in einer heruntergekommene Bretterbude am Rande von L.A. und kurierte gerade seinen Rausch vom Vortag aus. Er ließ es klingeln, doch es riss nicht ab.

„Ja verdammt!“

„Mister Bourke?“

„Was wollen sie?“

„Meine Name ist Kim Schweitzer und ich wollte ihnen eine Rolle in meinem nächsten Film anbieten.“

„Der war gut“, sagte Jeff und drückte auf den Knopf mit dem roten Hörer. Zwei Minuten später klingelte es erneut.

„Hören sie, Mann, ich kann ihnen nicht helfen, meine Karriere ist vorbei, ich bin Kassengift und wenn sie das nicht wissen, ist ihnen ohnehin nicht zu helfen, also!“

„Warten sie. Ich weiß wer sie sind, vertrauen sie mir, das ist ihre Rolle, das ist ihre Auferstehung, wenn sie zusagen, können sie sich schon mal umbenennen, Mister Phönix.“

Mister Bourke legte auf, öffnete die Klappe auf der Rückseite des Hörers und klopfte den Akku heraus. Blöde Sau, dachte er, drehte sich auf die Seite und schlief nochmal ein.

Gegen Abend klingelte es an der Tür. Jeff lag noch immer in Boxershort und T-Shirt auf der Couch, hatte seine zweite Flasche Wein in der Mache und verfluchte den Störenfried. Wieder schrillte die Klingel. Er blieb liegen. Es hämmerte gegen die Tür. Jeff drehte das Radio lauter. Sonny Boy Williamson. Aber es schien zu funktionieren, kein Gehämmer mehr, bis er Schritte dicht hinter sich hörte.

„Okay, Freundchen, dir werd ich beikommen…“ Jeff sprang auf und erwischte eine dreckige Gabel vom Geschirrhaufen auf dem Couchtisch. „Ach, du bist es Bob.“ Er schmiss die Gabel zurück auf den Teller. „Da hast du aber Schwein gehabt.“

Bob Bamstone war sein Agent. Was er wollte war klar. Kim Schweitzer hatte den berühmten italienischen Straßenpoeten überredet, ein Drehbuch zu schreiben. Théo Fanti – der Théo Fanti – hatte sich bereit erklärt die Feder zu schwingen. Und er hatte sie geschwungen!

„Also“, sagte Bob, „die Nachricht wolltest du doch nicht vor der Türe lassen, oder?“

„Moment mal, wie bist du überhaupt hier rein gekommen?“

„Scheiße, Jeff, du hast alle Fenster sperrangelweit offen, wenn du dir nicht den ganzen Tag billigen Wein rein tätest, würdest du auch ein paar Dinge mitbekommen.“

„Musst ja nicht gleich unhöflich werden.“ Er kratzte sich den Bauch und prustete vor sich hin. „Hast du ´ne Zigarette für mich?“ Bob gab ihm eine und hielt ihm Feuer hin. Jeff paffte an. „Théo Fanti, huh?“

„Théo Fanti!“

„Was wird das, ´nen scheiß Autorenfilm?“

„Ja, so ´ne SmartHouse-Geschichte.“

„Spuck es schon aus.“

„Ich weiß nicht was du meinst.“

„Du weißt ganz genau was ich meine!“

„Also gut, TNT hängt da mit drin, zufrieden?“

Jeff lachte. „Die würden nie ein Projekt finanzieren in dem mein Name auftaucht.“

„Das ist alles schon geklärt.“

„Ach ja?“

„Ja, verdammt! Denen gefällt das Skript und sie finden, du bist genau der richtige dafür.“

„Wie viel?“

„Wie viel? Fragst du das im Ernst?“

„Ja, verdammt!“

Bob ließ seinen Blick durch den Raum wandern. „Sagen wir, diesen Lebensstil hier wirst du dir noch eine lange Zeit leisten können.“

 

Anderthalb Monate später. Drehschluss des ersten Tages. Jeff stand in seinem Wohnwagen und goss sich das fünfte Glas Whisky ein. Pur. Den hatte er bitter nötig. Das gesamte Filmgeschäft blieb ein Haufen Scheiße, um den sich die größten Schmeißfliegen des Planeten tummelten. Und er gehörte noch immer dazu, war kein bisschen weiser geworden. Im Gegenteil, jetzt verkaufte er sich bloß noch schlechter. Er kippte den Drink hinunter und schüttete nach.

Es klopfte an der Tür.

„Nicht jetzt!“

Die Tür ging auf. Es war Bob.

„Du bist gefeuert!“ fluchte Jeff.

„Was?“

„Ich will raus aus dem Vertrag.“

„Nun mal langsam mit den Mustangs.“

Jeff ging ins hintere Ende des Wohnwagens und legte sich auf die Matratze. Bob musterte die halbleere Falsche Whisky, nippte daran und stellte sie zurück auf den Kühlschrank.

„Also, was ist los?“

„Komm mir nicht so, du warst doch heute beim Dreh dabei.“

„Oh Gott, Jeff, lass mich doch nicht wie deine Ehefrau klingen, aber es ist immer dasselbe mit dir. Dann wollte Schweitzer halt, dass du ein paar Szenen anders spielst, was ist schon dabei?“

Jeff stierte ihn an und schnaufte durch. Das Glas in seiner Hand war ein trockener Witz, ständig war es leer. „Exfrau“, ging ihm über die Lippen. Aber er riss sich zusammen, schleuderte das Glas in Bobs Richtung, als sei seine Visage ein Kunstwerk, das man der Nachwelt erhalten müsste. „Mach mir noch einen!“

Bob machte ihm noch einen.

„Pass auf, wenn ich ein Drehbuch lese, muss ich den Kerl darin kapieren, auf meine Art, verstehst du, sonst hampel ich nur rum. Das größte Geheimnis der Schauspielerei ist: Nicht spielen!“

„Das verlangt ja auch keiner von dir, komm Schweitzer nur ein bisschen entgegen, tu halt so, und gut is.“

„NICHTS IS GUT!“ schrie Jeff. „Du weißt ganz genau was das hier für ein verdammtes Schmierentheater ist; ein verkorkster Säufer, der sich an Frauen vergreift. Warum wollten die wohl mich haben, huh?“

„Mein Gott, zeig doch mal ein bisschen Humor, gib ihnen doch einfach was sie wollen und sie werden dich dafür umso mehr schätzen, vertrau mir.“

„Bob, du bist mein Freund, aber piss mir nich´ ins Glas und erzähl mir, es sei Scotch.“

„Spiel es einfach so, wie Schweitzer es haben will, beiß einmal in den sauren Apfel und…“

„ICH BIN KEIN HAMPELMANN!“

Du warst schließlich so begeistert, hast doch von dem Kerl, hier, Fanti, alles gelesen.“

„Dieser Hurensohn ist genau wie alle anderen, für das nötige Kleingeld lässt der sich seine schrulligen Sätze zerpflücken und besteht trotzdem noch auf seinen Larry im Abspann.“

„Es ist deine letzte Chance als Schauspieler. Weißt du was, nimm sie wahr oder lass es. Ich hab´s satt mir für dich den Arsch aufzureißen.“

„Zum Teufel mit dir. Und zum Teufel mit Fanti, soll er sich sein verstümmeltes Drehbuch doch von hinten reinschieben lassen. Das wäre doch eine prima Geschichte, kannst du ihm ja mal stecken, als mein Agent, huh? Aber ohne mich! Drauf geschissen. Da geh ich lieber zurück in meine Bude und pimper das Abflussrohr, danach fühlt man sich wenigstens nicht schlechter.“

„Du hast Schlagseite, Jeff.“

„Und ob ich die habe!“

„Sieh lieber zu, dass du wieder nüchtern wirst.“ Er knallte die Tür ins Schloss und war draußen.

Jeff kippte den Drink, als es erneut klopfte.

„Was denn noch?“

Es war Rosalina Bala. Sie war halb so alt wie er, wenn überhaupt, und spielte Betzy, den weiblichen Gegenpart. Die Frau, die das Monster nach einem schweren Kampf bei sich aufnimmt, seine Wunden leckt und langsam beginnt zu verstehen, dieses Etwas in ihm drin, was schon immer da war und es schließlich wieder zurück auf die Straßen der Großstadt treibt.

Sie war Spanierin, hatte langes schwarzes Haar und eine aufregende Figur. Naja, wie die meisten Zwanzigjährigen.

Schweitzers Interpretation der letzten Nacht: statt einer verzweifelten Annäherung, will er den dumpfen Menschen sehen, unfähig zu fühlen und zu begreifen, der sich nimmt, was er will, ehe er wieder verschwindet. Die Szene stand für Morgen auf dem Plan. Schweitzer wollte sie zu Anfang drehen, um mögliche Vertrautheiten zwischen Rosalina und ihm zu vermeiden. So, meinte er, käme das Verstörende der Vergewaltigung besser zur Geltung.

„Ich hoffe ich störe nicht“, sagte sie in diesem Rock, der ihr knapp über den Knien endete. „Aber ich wollte sie kennenlernen, bevor wir drehen.“

„Gern geschehen.“

„Wie ich sehe trinken sie.“

„Gehört zur Rolle, Schätzchen.“

„Da haben sie wohl recht.“

„Wenn sie auch wollen, bringen sie sich ´n Glas und die Flasche mit.“

Das tat sie. Jeff nahm ihr die Flasche aus der Hand, goss ihr ein – „Danke, das reicht!“ – und tat sich auch noch einen Schluck rein.

„Sie haben mir gut gefallen in Cast terrible.“

„Die einzige Rolle, die ich spielen konnte, wie ich wollte.“ Er stellte die Flasche neben das Bett. „Also, Sweetheart”, sagte er und legte seine Hand auf ihr Knie, „wollen wir die Nummer mal für Morgen durchgehen, hm?“

„Nur der Whisky, Mister, nur der Whisky.“

„Schon klar, Betzy, schon klar.“

Sie kicherte.

„Ist das ihr erster Film?“ fragte Jeff.

„Ja, aber davor hatte ich ein paar kleinere Rollen in verschiedenen Serien, wie…“

„Verstehe“, winkte er ab.

„Es ist wirklich eine große Ehre für mich, gleich neben einem so großen Star wie ihnen, spielen zu dürfen.“

„Brauchst nicht nervös sein.“

„Leichter gesagt, als getan. Sie haben nicht zufällig ein paar Tipps für mich?“

Er verpasste ihr eine saftige Ohrfeige, so dass ihr das Glas aus der Hand flog. „Improvisation ist das wichtigste was es gibt, Baby, du musst es immer schön fließen lassen…“

Rosalina kam wieder hoch, sah ihn mit großen Augen an.

Jeff lächelte, verpasste ihr noch eine Backpfeife, drehte sie auf den Bauch und zog ihr den Rock über den Hintern, wollte ihr den Slip beiseite fingern, aber sie trug gar keinen. „So eine also…“ Sie wandte sich wie ein Aal, zappelte, schlug nach hinten, von allem ein bisschen, so pro forma… Es dauerte bis er zu Potte kam, bis sie in den Fluss kam. Trotzdem, der Whisky hatte ihm mehr zugesetzt, als er geglaubt hatte, und die Angelegenheit zog sich in die Länge.

Endlich war er gekommen und rollte von ihr runter.

Eine Weile lagen sie so nebeneinander.

„Gute Probe“, sagte er.

Sie stand auf, zog ihren Rock herunter und ging, ohne einen Mux von sich zu geben.

Jeff schnappte sich die restliche Flasche Scotch, trank sie aus und schlief ein. In dieser Nacht träumte er von rosa Elefanten.

Frank Trummel

1984 in Wuppertal geboren. Fachabitur. Zivildienstleistender. Supermarktaushilfe. Küchenjunge. Kurierfahrer. Ausbildung zum Augenoptiker. Arbeitsloser. Halbtagsoptiker. Wird fortgesetzt…

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