Socken für Dimitrij
„Du stopfst immer noch Socken, Tante Mila… keine Frau stopft heute noch Socken.“
„Ich habe sie selbst gestrickt.“ Die alte Miljena blickte zu ihrem Neffen auf, dann wandte sie sich wieder ihrer Arbeit zu. „Im Winter beschwert ihr Männer euch, dass keine da sind. Du hast es erledigt, Dimitrij?“
„Ja.“
„Schwierigkeiten?“
„Es war ein Geistlicher… in einer schwarzen Soutane.“
„Das wusstest du vorher.“ Tante Mila’s Ton wurde streng. Sie konzentrierte sich darauf, einen neuen Faden durch das Nadelöhr zu schieben. „Wir töten, Dimitrij, zwei Familien leben vom Töten. Das Geschäft läuft gut, wir haben mehr als genug Aufträge. Ein Geistlicher, und wenn schon – ein greiser Pfaffe, dem Tode nahe.“ Sie seufzte. „Warum bloß hat Gott mir keinen Sohn geschenkt?“
„Es war so einfach“, sagte Dimitrij leise. „er saß auf einem Stein direkt vor der Steilküste, er schaute aufs Meer.“
„Wo?“
„Bei Nizza.“
„Ja, die Welt ist groß… viele fremde Orte, weit weg. Es soll schön sein am Mittelmeer. Du hast ihn runtergestoßen.“
„Er überschlug sich in der Luft – der Mann sah mich noch an.“
„Ja, darum musstest du dich wieder betrinken!“, schrie die alte Miljena. „Musstest durch die Straßen torkeln, so laut vor dich hin brabbeln, dass es jeder hören konnte! Bis hierher nach Kirgisien konnte man es hören.“
„Wer hat mich beschattet, Tante Mila?“ Der Schock saß tief, es dauerte, bis er sich wieder im Griff hatte. „Eine Viertelmillion Dollar, ist doch nicht zu verachten… oder?“
Tante Mila machte bedächtig ihr Nähkästchen auf. Dimitrij erkannte sofort das Klicken ihrer kleinen Pistole.