Abendessen im Hung Hoi
Ein Teamtreffen findet im Restaurant statt. Weil Teamleiter Diemer Geburtstag hat. Bereits vor Wochen hatte er gewitzelt, dass er seine Mitarbeiter ja sowieso einladen müsse, auch Teamtreffen müssten stattfinden – so könne man beides miteinander verbinden.
´In angenehmer Atmosphäre konferieren´, hatte er auf die Einladung geschrieben, diese zehn mal kopiert und den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern aus seiner Abteilung auf die Schreibtische gelegt. Wortlos, das ist Diemers Art. Er ist eher der trockene Humorist, das sagt auch seine Frau.
Jetzt sitzen alle an einer langen Tafel im chinesischen Restaurant Hung Hoi.
Diemer hatte letzte Woche einen Tisch für elf reserviert und für alle Ente kross mit Reis und Soyasprossen bestellt.
An die chinesischen Getränke aber konnte er ´nicht so richtig ran´. Vorhin, bevor das Essen kam, forderte er seine Gäste deshalb auf, sich ein Getränk nach Wahl zu bestellen. Natürlich auf seine Kosten.
Frau Paesch trinkt ein Mineralwasser mit Zitronenscheibe aber ohne Eis.
Die anderen trinken ein Bier. Gertrud trinkt gar nichts, zwar findet sie die asiatischen Getränke spannend, ist aber noch auf Diät und da soll man nichts zum Essen trinken, weil das die Magensäfte verdünnt. Die fetttriefende Ente isst sie aber. Ausnahmsweise.
Geredet wird über das Problem Arbeitslose. Was man denn nur mit denen machen sollte. Zwei seien ja nun schon tot. Und der Rest? Wie solle es mit dem Rest weitergehen, mit denen, die noch lebten?
Frau Paesch findet es wie üblich unpassend, auf diese Weise über Menschen, deren Arbeit niemand bezahlen will, zu reden, aber über das Problem Regierende und was man mit denen machen sollte, möchte niemand reden, wie Frau Paesch nach zwei Versuchen feststellt.
Also hält Frau Paesch nicht mit, ist jedoch trotzdem mit Herz und Seele bei der Sache, bei ihren Frauen. Hin und wieder, wenn jemand sie nach ihrer Meinung fragt, redet es eher automatisch aus ihr heraus, je nach dem, was der Betreffende hören will.
„Nein, es war kein leichtes Stück Arbeit, all die Frauen in Betrieben unterzubringen, ohne denen etwas dafür zu zahlen.“ Frau Paesch hätte sehr an die Menschlichkeit der Chefs appellieren müssen, lügt sie nach links, und, ja, die meisten ihrer Frauen seien ihr dankbar, sehr sogar, berichtet sie wahrheitsgemäß nach rechts.
Ein Hoch auf unsere Frau Paesch! Trotzdem, wir haben keinen guten Schnitt!“, sagt Diemer und hält der Kellnerin sein leeres Bierglas hin.
Die hat begriffen.
„Wie – guter Schnitt?“, fragt jemand.
„Wie ich sage!“
„Geht das genauer?“
Diemer schweigt einen Moment vielsagend, dann verkündet er, man müsse lediglich all seine Möglichkeiten nutzen, schon ginge es wie von selbst. Was für die Kunden gelte, gelte auch für einen selbst.
Frau Paesch lässt ihr Glas sinken.
Diemer ordert eine neue Runde auf seine Kosten, bevor man weitersprechen wird.
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„Arbeit kann
zu einem langsamen und schmerzhaften
Tod führen“
Mit freundlicher Genehmigung
von Juliane Beer.