Die NSA und der Rest der Welt

nsa_560x560fxLieutenant Colonel James P. Thudpucker stand stramm, obwohl er sich in Gegenwart des Präsidenten immer unwohl fühlte. Der hatte die New York Times vor sich und deutete auf einen Artikel, den Thudpucker in seinem Kellerbüro bereits mit hellem Vergnügen gelesen hatte.

„Was ist da dran?“ wollte der Präsident mit Donnerstimme wissen, und Thudpucker beeilte sich mit der Antwort.

„Stimmt genau, Sir. Die verdammten Russen haben in der Tat unsere geheimsten Militärcomputer geknackt, schreiben seit über einem Jahr alles mit und ab, und das FBI ist nicht in der Lage, die Hackerei abzustellen“. Er blickte traurig aber forsch, was bei Clinton immer wirkte.

„Und warum weiß ich nichts davon?“ wunderte sich der Mächtigste Mann der Welt.

„Weil Sie der NSA verboten haben, die verdammte Schnüffelnase, wenn ich zitieren darf, in innenpolitische Angelegenheiten zu stecken. Dafür sei die Bundespolizei zuständig, ließen Sie mich wissen, und daß ich mich um meine eigentliche Aufgabe kümmern soll, die darin bestehe, Schaden von den USA und seiner politischen Führung abzuwenden. Sir“. Zur Bestätigung wollte der Oberstleutnant noch kurz die Hacken zusammenschlagen, entschied sich aber im letzten Augenblick dagegen, weil der Chef doch nicht gedient hatte und für die akustisch-optische Schönheit einer solchen Geste vermutlich nichts übrighatte.

*

nsa_hochkant_fx1Clinton lehnte sich im Sessel zurück, schaute an die Decke und fragte sanft, womit sich die Nationale Sicherheits Agentur denn in letzter Zeit beschäftigt habe.

„Schaden von den USA und seiner politischen…..“

Ja, ja, unterbrach der Boss unwirsch, aber womit genau? Es ginge doch nicht an, daß sich vierzigtausend Geheime, die derart geheim seien, daß sie offiziell nichtmal existieren, nur um die Abwendung irgendwelcher Schädchen kümmern und den gewaltigen Schaden einer ausländischen Cyberinvasion einfach ignorieren. Oder? Er schaute wieder frech – Zivilist eben, ein verdammter Politiker, der keine Ahnung von der richtigen Welt hatte. Thudpucker stand noch strammer.

„Geheimsache „Kuckucksei“ läuft seit drei Jahren – seit sich die Gerüchte bewahrheiteten, daß die Krauts den Weltautomobilmarkt mit einer Neuauflage ihres Käfers an sich reißen wollen. Und ich darf sagen, Sir, daß die Aktion sehr erfolgreich ist. Schauen Sie an, was aus dem Ding geworden ist! Keine Verkaufszahlen, keiner nimmt den Verein mehr ernst, und in Detroit sind die Arbeitsplätze sicherer denn je. Zumal wir als Beiprodukt unserer Wühlarbeit in Deutschland denen noch Chrysler verscherbeln konnten“. Thudpucker konnte nicht mehr – seine militärische Haltung verpuffte in schallendem Gelächter, der Präsident wieherte und lief schon tiefrot an. Die zwei ungleichen Diener des Volkes erlaubten sich einen Moment der Sorglosigkeit, der Heiterkeit.

nsa_hochkant_fx2Der Oberstleutnant setzte sich. Es würde länger dauern – aber als Vize des Nationalen Sicherheitsberaters hatte er natürlich eine Antwort auf alle Fragen. Nicht umsonst brannte im Tiefgeschoß des Weißen Hauses manche Nacht das Licht; die NSA war sich ihrer Pflicht gegenüber des amerikanischen Volkes, des Großartigsten Volkes der Welt, bewußt. Und ihres Präsidenten, natürlich, auch wenn sie über seine Person herzogen, dort unten im lautlosen Keller dieses Mächtigsten Gebäudes der Welt. Konnte eben nicht jeder ein Reagan sein; so einen Patrioten, so einen Überamerikaner gab´s nun mal selten. Na ja. Er konzentrierte sich auf die Ausführungen dieses Bauernlümmels aus Alabama. Oder Arkansas. Aus irgendsoeinem Scheißstaat halt.

„Aber vierzigtausend Leute? Da muß doch irgendjemand für die Sicherheit des Pentagons zuständig sein, verdammt noch mal.“.

„Nicht so einfach, Sir. Wie Sie sicher wissen, läuft dann noch die Aktion „Nachtwächter“ irgendwo in Deutschland, oder vielleicht in Bayern, so genau kenne ich mich da nicht aus, Sir. Rekrutierung Einheimischer, Sie erinnern sich: Und Auftrag „Furz“ im Norden, wo es um die Ausspähung der teutonischen Windenergietechnologie geht. Dann soll die Bundesregierung irgendwann nach Berlin umziehen, aus ihrem Dorf dort am Rhein, oder sie sind schon umgezogen, weiß ich´s? Da sind einige unserer Leute rund um die Uhr dran. Wissen Sie, mit der ganzen Infrastruktur, die für so einen Riesenauftrag nötig ist, fehlen uns jede Menge Leute, die wir sonst hätten einsetzen können.“

„Scheiße“ murmelte der Führer des Freiesten Landes der Welt, und der Vize des Nationalen Sicherheitsberaters brummelte nickend Zustimmendes.

„Aber wieso konnten die verdammten Russkis, die doch von nichts eine Ahnung haben, unsere gesicherten Computer knacken? Ich denke, die arbeiten noch mit Abacus“

„Aba-was, Sir? Kenne ich nicht. Die haben sich scheinbar irgendwelche Experten aus Deutschland geholt. Schauen Sie“. Der Oberstleutnant zog die Zeitung näher und überflog den Artikel, bis er die Stelle fand, die er suchte.

„Hier steht´s, Sir. Die Hacker brachen immer nur an Wochentagen zwischen acht Uhr und siebzehn Uhr Moskauer Zeit ein, nie am Wochenende und nie am Feiertag. Außterdem pausierten sie im vergangenen Jahr dreimal jeweils zwei Wochen – vermutlich waren sie da im Urlaub. Können also nur Deutsche sein“

Der Präsident nickte zustimmend. Ja, da hatte der Kommißkopp recht – die Arbeitsweise, das sah selbst ein erfahrener Politiker wie er, deutete auf Deutsche hin. Ganz klar.

„Verdammten Krauts kommen uns überall in die Quere!“ Spiegelabonnent Clinton zog unwirsch die Stirne in Falten – vielleicht sollte man sich doch noch mal mit dem neuen Mann in Deutschland unterhalten. Nicht Kohl, der andere. Weiß der Teufel, wie der schon wieder heißt. Muß mal Hillary fragen. Die kennt sich aus.

nsa_hochkant_fx1„Was machen wir nun mit der Hackerei? Kann man die nicht auch behacken? Denen die paar Geheimnisse klauen, die sie noch haben? Das CIA hat doch eine neue Cyberabteilung – wie sieht´s denn mit denen aus?“ Der Präsident beugte sich über den Schreibtisch, seinem Besucher zu. Das war psychologisch wichtig, zeigte Interesse und Anteilnahme, also bestanden seine Berater darauf, daß er sich alle vier Minuten über den Tisch beugte. So in Fleisch und Blut übergegangen war die Geste, daß er sich auch dann vorbeugte, wenn gerade mal niemand da war. Alle vier Minuten. Das mußte sein.

„Stimmt, Sir – die haben in der Tat eine neue Entwicklungsabteilung. Haben Sie gerade erst mit einem Jahresbudget von 28 Millionen Dollar ausgestattet. Aber dessen Boß muß erst noch Erfahrung sammeln. Den hat das CIA mit eingekauft, als sie dessen Firma übernahmen. Computerspiele haben die bisher entwickelt, Das mag noch dauern, bis der zum Geheimen ausgebildet ist.“

So ist das nun, wenn man der Mächtigste Mann des Universums ist. Nur Kleinkram zu erledigen, den ganzen Tag nur Mist. Gott sei Dank ist das bald vorbei – dann hat Al den Scheißdreck am Hals, Hillary sitzt als Senatorin in Washington und ich habe endlich meine Ruhe. Der Chef der Freien Welt seufzte. Thudpucker schreckte aus seinen Gedanken auf.

nsa_hochkant_fx2„Cal Tech, Sir. In Kalifornien. Die Fortschrittlichste Technische Universität der Welt. Die sollen sich drum kümmern. Von denen hat doch jeder einen Computer, und die surfen doch den ganzen lieben Tag lang im Internet. Die sind für den Job wie geschaffen. Zumal deren bisherige Forschungsaufgabe gerade in die Hose ging. Die freuen sich über den Überbrückungsauftrag.“ Na, wie war das? Aus dem Stegreif gelöst, das Ding. Der Oberstleutnant war sichtlich mit sich zufrieden. Daß die Marssonde, die Cal Tech auf den Roten Planeten steuerte, deshalb ihr Ziel um einige tausend Meilen verpaßte, weil die Herstellerfirma alle Maße in Fuß und Zoll angab, die Akademiker aber annahmen, es handele sich um Meter und Millimeter, das ging den Chef ja nichts an. Irren ist schließlich menschlich.

„Gut. Wird gemacht. Sie leiten das in die Wege.Vielen Dank, lieber Oberstleutnant“. Clinton stand auf und salutierte. Darauf bestanden seine Berater ebenfalls – Militärs mußten vom Oberkommandierenden der Streitkräfte immer salutierend verabschiedet werden. Auch wenn der OdS lieber nach Oxford als nach Saigon gegangen war, damals.

Die Kommunikationswissenschaftler der kalifornischen Uni freuten sich wirklich über den Regierungsauftrag. Einer ihrer talentiertesten Nachwuchsleute bekam sofort die Anweisung, sich in das russische Regierungscomputernetz einzuwählen. Er ließ sich erstmal von der Telefongesellschaft Pacific Bell die Vorwahl Moskaus geben. Durch einen bedauerlichen Übertragungsfehler wurde ihm allerdings von einer in ihrer knappen Freizeit fleißig englisch büffelnden vietnamesischen Neueinwanderin bei der Auskunft die Nummer des guatemaltekischen Roten Kreuzes genannt, was jedoch nicht weiter auffiel. Seither wird jeder, der dem lateinamerikanischen Hilfsverein eine Spende gibt, von Dreiermannschaften der NSA beschattet.

NSA

Foto: NSA




Was von Peter J. Kraus lesen:

Peter J. Kraus

schreibt Romane. Das war allerdings nicht immer so. Angefangen hat´s mit Einzelbuchstaben. So um 1944 herum. Da war er gerade mal drei, die Tausendjährigen waren schon beim elften Zwölftel angelangt, von Adersheim aus sah man an einem Herbstabend Braunschweig brennen und er wunderte sich, ob das normal sei. Letzter Krimi: Joint Adventure

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