Das Ende

Der Winter ging allmählich vorbei. Während draußen die Windstöße hin und her fegten, saß ich noch immer am Schreibtisch, unablässig an dieser Geschichte schreibend, die mich wie gewaltsam an sich riss. Es ging darin um einen äußerst rätselhaften Mann namens Hadert. Sein Leben erschien mir so flüchtig und wechselhaft, dass ich ihm kaum zu folgen vermochte. Wie im Zeitraffer sah ich ihn über Schiffsdecks laufen, an Häuserwänden emporklettern, ich sah ihn durch einen schmierigen Tunnel kriechen, dann auf einmal in einer düsteren Taverne sitzen, wie immer schweigend. Kaum aber, dass ich mir für einen Augenblick über seine Lage und seine Absichten Klarheit verschaffen konnte, war Hadert schon wieder verschwunden, und es gelang mir nur mit Mühe, ihm wieder auf die Spur zu kommen. Für einige Kapitel war ich der Auffassung, dass er beabsichtige, mit dem Zug durch Indien zu reisen, um einen Mann namens Faustus ausfindig zu machen. Dann stellte es sich heraus, dass Faustus nicht existierte und dass Hadert sich indessen heimlich nach Marokko abgesetzt hatte. Auf einem Schrottplatz in Marrakesch bekam ich ihn endlich zu fassen. Ich schleuderte ihn durch Windschutzscheiben, ich ließ auf ihn schießen, ich ließ ihn niederschlagen, knebeln und in einen Keller sperren, doch wieder gelang es ihm, sich zu befreien und davonzukommen. Indessen kam ich nicht mehr los vom Schreibtisch. Ich hatte nur noch diesen einen Wunsch, Hadert zu vernichten und an seine Stelle zu treten. Dann das Ende. Mit Schrecken denke ich an den Moment zurück, als mitten in der Schilderung einer Geiselnahme meine Hand plötzlich erstarrte und ich den Kugelschreiber einfach fallen ließ. Ich weiß nur noch, wie ich vom Schreibtisch aufstand und hinausstürzte in den Regen. Drei Wochen lang irrte ich hilflos umher, ehe ich in einem Gebüsch irgendwo im Stadtpark wieder zu mir kam. Als ich mich endlich doch wieder zurück in die Wohnung wagte, lagen die beschriebenen Blätter noch immer auf dem Schreibtisch. Ich las mir alles gründlich durch, doch Hadert kam in keinem der Sätze vor. Es war weiter nichts zu lesen, als langatmige Beschreibungen von Landschaften, in denen die Menschen traurig und schläfrig umhertappten. Hadert war mir entkommen.

 

Foto: CC0 / Public Domain / Rawpixel /Pixabay

Robin Krick

Robin Krick, geboren 1980, hat es seither zu keiner lesenswerten Biografie gebracht. Versucht neuerdings, sich mit erfundenen Geschichten interessant zu machen.

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